Colectivo Los Ingrávidos: The Sun Quartet, part 1: Piedra del Sol

Colectivo Los Ingrávidos – ein Kollektiv experimenteller Filmemacher*innen, das sich 2012 in Tehuacán (Mexiko) gegründet hat – nutzt das Medium Film für poetische wie politische Arbeiten. The Sun Quartet verknüpft ein zehn Jahre zurückliegendes traumatisches Ereignis mit einem historischen Moment, der die mexikanische Politik prägte: das traumatische Verschwinden von 43 Studierenden des ländlichen Lehrer*innenseminars Ayotzinapa nahe der Stadt Iguala, die 2014 auf dem Weg nach Mexiko-Stadt im Auftrag der Regierung von der lokalen Polizei entführt wurden; sie hatten dort an das Massaker von Tlatelolco erinnern wollen, bei dem Studierende, die gegen die Olympischen Sommerspiele 1968 protestierten, auf Befehl der mexikanischen Regierung vom Militär ermordet wurden.

Der vierteilige Film (dessen ersten Teil wir hier präsentieren) verzichtet darauf, das Publikum zu belehren, sondern collagiert sich überlagernde Filmaufnahmen und poetische Texte, um die nationale Schande Mexikos aufzuzeigen und zugleich über den paradoxen Charakter von Wahrheit zu sprechen.

Der erste Teil – Piedra da Sol – verweist mit seinem Titel auf ein aztekisches Artefakt, das im 15. Jahrhundert entstanden sein soll; es dient hier als Symbol für den beharrlichen Widerstand der Indigenen Bevölkerung gegen die spanischen Eroberer und für den ewigen Kreislauf des Lebens, der sich in der Erdrotation und den Stationen des Kosmos widerspiegelt.

The Sun Quartet von Colectivo Los Ingrávidos ist Teil der von Inke Arns und Andrea Popelka kuratierten Hauptausstellung der Wiener Festwochen 2024. Die Ausstellung ist unter dem Titel Genossin Sonne ab dem 17. Mai in der Kunsthalle Wien zu sehen (bis 1. September 2024). Mehr: https://kunsthallewien.at/ausstellung/genossin-sonne/

Ausgewählt von Inke Arns (HMKV)

 

Colectivo Los Ingrávidos

Das Colectivo Los Ingrávidos ist eine Gruppe unabhängiger Künstler*innen, die mit dokumentarischen Ansätzen und Found Footage experimentieren. Ihr Ziel ist es, die Kommerzialisierung der audiovisuellen Kreativität und die Langeweile der konventionellen Fernseh- und Kinoproduktion in Frage zu stellen. Das Colectivo Los Ingrávidos entstand als Widerstandsbewegung und kollektive Aktion, die inmitten großer Proteste gegen die mexikanische Regierung zu kooperieren begann und aus Angst vor Repressalien über einen anonymen YouTube-Kanal berichtete. Die kollaborative Arbeit ist eine politische Entscheidung zur Dekonstruktion der künstlerzentrierten neoliberalen Ordnung, in der der Wert des Objekts und die Absicht des Autors im Mittelpunkt der kritischen Debatte stehen. Es war notwendig, als anonymes Kollektiv zu agieren, da Mexiko nach Syrien das Land ist, in dem die meisten Journalisten umkommen (laut Reporter ohne Grenzen). Die Arbeit von Los Ingrávidos muss vor dem Hintergrund ihrer kollektiven Wurzeln, ihres gemeinschaftlichen Produktionsprozesses und ihres dezentralen Ansatzes für Inhalt und Form verstanden werden. Ihre radikalen visuellen Klangexperimente und ihr relationaler Ansatz sind Methoden zur Demontage audiovisueller ideologischer Paradigmen. Ihre Filme fangen die Dringlichkeit, Unmittelbarkeit und Energie direkter politischer Aktionen ein und bieten so einen gemeinsamen kritischen Raum.

Mehr zum Kollektiv:

Instagram: @zonaingravida